Das europäische Schützenwesen -Einheit in Vielfalt

Noch immer schwelgen wir in Erinnerungen an drei wundervolle Tage in/am Mondsee anlässlich des Europäischen Schützentreffens. Ausrichter waren federführend die Mondseer Prangerschützen, dessen Ursprünge bis ins Jahr 1684 zurückreichen und deren Aufgabe es damals war, den „Prangtag“ (Fronleichnam) lautstark mit Böllern und Musketen zu verkünden. Um diesen Brauch zu erhalten wurden die Prangerschützen 1981 neu gegründet.

Veranstalter des europäischen Schützentreffens ist allerdings die „Europäische Gemeinschaft Historischer Schützen“ (EGS). Da mir die EGS bis dahin völlig unbekannt war, hat mich das veranlasst, einmal über die EGS zu recherchieren.

In 1955 – also 10 Jahre nach Kriegsende – wurden aus Vertretern von Schützenverbänden in Deutschland, den Niederlanden und Belgien eine Arbeitsgemeinschaft gegründet, die sich als Ziel gesetzt hatte, in einem vereinten Europa die Traditionen, Sitten und Gebräuche der angeschlossenen Schützenvereine und -verbände zu bewahren und zu unterstützen. Sie gab sich später den Namen „Europäische Gemeinschaft Historischer Schützen“.

Wir – die Rhöndorfer Schützen – gehören, da wir Mitglied im Bund der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften (BHDS) sind, zur Region 1 - Europa Mitte/Nord: Deutschland, nördlich des Mains. Insgesamt umfasst die Region 6 Verbände mit 1927 (!) Vereinen und ist damit mit Abstand die größte Region.

Zur Region 2 – Europa Mitte/Süd gehören neben Deutschland südlich des Mains noch Österreich, die Schweiz und Italien.

Region 3 - Europa Nord/West umfasst die Skandinavien sowie Großbritannien und die Niederlande. Zur Region 4 - Europa Süd/West gehören Belgien, Frankreich, Spanien, Portugal und Griechenland und die Region 5 - Osteuropa hat den derzeitigen Schwerpunkt Polen, Kroatien und Tschechien.

Im Laufe der Jahre schlossen sich immer mehr Länder an und heute sind fast 1 Mio. Schützen und ihre Familien in ca. 2.800 Bruderschaften, Gilden, Schutterijen und Vereinen in der EGS zusammengeschlossen, alle mit ihren eigenen Traditionen. Nicht wenige gehen dabei bis ins Mittelalter zurück. Daraus ergeben sich auch die durchaus sehr unterschiedlichen Trachten und Uniformen. Kannten wir bisher nur unsere eigenen hier im Rheinland – überwiegend grüne Uniformen und die begleitenden Damen in z.T. rauschenden langen Roben – so sahen wir hier in Mondsee die unterschiedlichsten Trachten, beeindruckend aufwändig und farbenprächtig.

1985 wurde die „Ritterschaft vom Hl. Sebastianus in Europa“ in Eupen (B) gegründet. Stifter der Ritterschaft ist die EGS. Die Ritterschaft wurde über die Verfassung an das Haus Habsburg gebunden, welches den Großmeister stellt. So wurde in der Nachfolge von Dr. Otto von Habsburg am 31.08.2008 im Kaiserdom zu Aachen sein Sohn Karl von Habsburg-Lothringen (Erzherzog von Österreich) als neuer Großmeister der Ritterschaft investiert. Prior ist seit dem Europäischen Schützenfest 2024 in Mondsee Albert-Henri, Prinz von Merode. Der Einsatz für ein vereintes, christliches Europa in einer Gesellschaft, die sich immer mehr vom Glauben abwendet, ist eine wichtige Aufgabe der Ritterschaft.

Ihr Wahlspruch lautet – so wie der der EGS - „PRO DEO - PRO EUROPAE CHRISTIANAE UNITATE - PRO VITA“ (Für Gott – Für ein vereinigtes, christliches Europa - Für das Leben) – bei aller Offenheit und christlichen Toleranz gegenüber Andersdenkenden.

1975 fand das erste Europakönigsschießen in Aachen statt und seitdem treffen sich die Schützen regelmäßig zum Europaschützenfest – so in diesem Jahr in Mondsee.

Das Bewusstsein um die gemeinsame Geschichte und das gemeinsame Eintreten für ein vereinigtes, christliches Europa verbindet die Schützen.

Diese Gemeinschaft konnte man spüren – nicht das Trennende, die Unterschiedlichkeit in Sprache, Tracht/Uniform oder Tradition/Brauchtum stand im Vordergrund, sondern das Gemeinsame, das Verbindende. Dies kam in vielen, oft nur kurzen Begegnungen zum Ausdruck – aber auch in allen offiziellen Reden immer wieder.

In zwei sehr eindringlichen, durchaus politischen Predigten warb Probst Johann Holzinger CanReg St. Florian mit mahnenden Worten für ein einheitliches Europa – fernab von „Klein-Klein“ und „me first“. Nur, wenn wir in Europa fest zueinander stehen und das Große, Ganze im Auge behalten, schaffen wir es, den selbstverliebten, machtgierigen Egomanen dieser Welt etwas entgegenzusetzen. In einer Welt, in der Egomanie salonfähig geworden ist, gilt es, die christlichen Wertvorstellungen hochzuhalten.

Was ich von diesem Wochenende mitgenommen habe: die Rhöndorfer Schützengesellschaft ist zwar für uns der Mittelpunkt, als Sportverein, in dem wir auch gerne feiern und uns insgesamt wohlfühlen – aber wir sind trotzdem auch ein Teil einer schönen, wunderbar vielfältigen Gemeinschaft, ein Teil von Europa!!! Und es lohnt immer wieder, einmal über den Tellerrand zu sehen und einen Blick zu werfen auf das Große, Ganze!

Warum wir eine Gesellschaft und keine  Bruderschaft sind?

Unsere Gesellschaft ist und wollte es auch von Anfang an, offen sein für jeden und jede und nannte sich deshalb ganz bewusst „Gesellschaft“ – um niemanden auszuschließen, weder aufgrund seines Geschlechts noch aufgrund seiner Religionszugehörigkeit.
Das Schützenwesen hat eine sehr lange Tradition. So ist der Begriff „Schützen“ nicht auf das Schießen, sondern auf das Beschützen zurückzuführen. Beschützt werden musste in früheren Zeiten in katholisch geprägten Gegenden das „Allerheiligste“ – eine in der Regel wertvolle Monstranz (von „monstrare“ = zeigen“) - bei den Prozessionen. Nicht selten wurden Prozessionen überfallen und die goldene, oft mit Edelsteinen besetzte Monstranz gestohlen.
Diese Beschützer waren natürlich immer Männer – und zwar katholische! Im Laufe der Zeit hat sich das, glücklicherweise, sehr verändert und wir begrüßen alle, an sprortlichem Wettbewerb und Brauchtumsgeschehen Interessierte, ganz herzlich!